TECHNIK IN DER BRANDBEKÄMPFUNG

Rauch- und Wärmeabzug (RWA):
ein Begriff mit vielen Facetten

Text: Reinhard Eberl-Pacan + Georg Tschacher | Foto (Header): © denboma – stock.adobe.com

Hinter den Oberbegriffen „Entrauchung“ oder „Rauch- und Wärmeabzüge“ verbergen sich viele unterschiedliche Einrichtungen und Geräte – von „Öffnungen zur Rauchableitung“ über „Rauch-Differenzdruck-Anlagen (RDA)“ bis hin zur „Rauch- und Wärmeabzugsanlage (RWA)“. Alle haben die grundsätzliche Aufgabe, im Brandfall den Brandrauch schnellstmöglich aus dem Gebäude nach außen abzuführen. Ansonsten haben sie hinsichtlich ihrer Einsatzgebiete und Anforderungen jedoch wenig gemeinsam.

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Februar 2021
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Rauchabzugsanlagen und Rauchabzugsgeräte dienen dazu, Rauch abzuleiten, vorrangig um dadurch wirksame Löscharbeiten der Feuerwehr zu unterstützen. Sie sind hauptsächlich entsprechend den Anforderungen in Sonderbauverordnungen und Sonderbaurichtlinien erforderlich oder wenn sie im bauaufsichtlichen Verfahren, z. B. zur Kompensation von Abweichungen, gefordert werden. Wirken mehrere Geräte zur Rauchableitung zusammen, bilden diese Geräte eine Anlage. Das Wirkungsprinzip der Einrichtungen zum Abzug von Rauch oder Wärme, die von Bränden erzeugt wurden, beruht auf dem natürlichen Abzug durch Öffnungen im Dach oder in der Fassade infolge des thermischen Auftriebs erhitzter Gase wie Luft oder Brandrauch.

Sie bieten dadurch die Möglichkeit, Gebäude während eines Brandereignisses möglichst rauchfrei (raucharm) und damit lebensrettend zu halten sowie gleichzeitig die Gebäudekonstruktion durch eine gezielte Wärmeabführung thermisch zu entlasten. Während es bei der Rauchfreihaltung in erster Linie darum geht, die Einsatzbedingungen der Feuerwehr durch Erhalt von ausreichenden Sichtbedingungen zu verbessern, geht es bei der Wärmeabführung primär um den Gebäudeerhalt bzw. die Sicherheit der Feuerwehr beim Löschen.

Schutzziele von Entrauchungen

Werden durch den Einsatz natürlicher oder maschineller Rauchabzugsanlagen im Brandfall raucharme Schichten erzeugt, unterstützen diese

  • die Selbst- und Fremdrettung von Personen (die Menschen können sehen und atmen),
  • den Innenangriff der Feuerwehr (die Feuerwehr kann sehen und sich schnell orientieren, retten und das Feuer bekämpfen),
  • den Sachschutz (eine Verringerung der Hitzebelastung und Rauchausbreitung schützt Gebäude und Einrichtungen) und
  • den Schutz gegen Betriebsausfälle (schnelles Bekämpfen des Feuers reduziert die Gefahr von längeren Betriebsausfällen).

Vielfach wird deshalb das Schutzziel von Einrichtungen zur Entrauchung von Gebäuden oder Räumen  pauschal mit der Rettung von Menschen im Brandfall gleichgesetzt. Diese Einschätzung ist jedoch nur teilweise berechtigt. Deutlich eingeschränkter sind z. B. die Schutzziele der in den Musterbauordnungen (MBO) bzw. den Landesbauordnungen (LBO) geforderten Öffnungen zur Rauchableitung. Die Fachkommission Bauaufsicht der Bauministerkonferenz (ARGEBAU), die für die MBO als Muster für die LBO zuständig ist, hat alle Regelungen der MBO und zugehöriger Sonderbauvorschriften auf ihre Schutzziele hinterfragt und dabei festgestellt, dass die bauordnungsrechtlich verlangten „Öffnungen zur Rauchableitung“ nicht der Sicherstellung der Benutzbarkeit von Rettungswegen in der Phase der Personenrettung, sondern der Unterstützung der Feuerwehr bei wirksamen Löscharbeiten dienen können.

Auch in geregelten Sonderbauten wie Verkaufsstätten oder Versammlungsstätten dient die Entrauchung  der Unterstützung der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr. Dies gilt auch für Industriebauten nach der Muster-Industriebaurichtlinie (Stand 2019) sowie nach länderspezifischen Verordnungen für geschlossene Großgaragen, die tiefer als 4 m unter der Gebäudeoberfläche liegen, wenn keine Sprinkleranlage vorhanden oder Rauchabschnitte größer als 2.500 m2 sind.

Weitere Schutzziele für eine Entrauchung können hinzukommen, wenn neben den Schutzzielen der Bauordnung z. B. noch der Sachschutz eine Rolle spielt oder Abweichungen von den materiellen Anforderungen des Baurechts, z. B. Einschränkungen bei den Rettungswegen, kompensiert werden müssen. Diese Abweichungen einschließlich Kompensationen sowie die Bemessungsparameter sind dann schutzzielabhängig auf den Einzelfall abzustimmen und sollten aus einem Brandschutzkonzept bzw. einem Brandschutznachweis hervorgehen.

Arten und Einsatz von Entrauchungen

Der Einsatz von Entrauchungen bzw. Rauchableitungen umfasst im Allgemeinen folgende Bereiche:

  1. Rauchableitung durch Verdünnung: Vermischen des Rauchs mit unkontaminierter Luft und Ableitung von Rauch und Wärme
  2. Entrauchung durch Schichtung: Schaffung von raucharmen Schichten durch natürliche oder maschinelle Rauchabzugsanlagen
  3. Rauchabschnittsbildung: Verhinderung von Rauchübertritt von einem Rauchabschnitt in benachbarte Be- reiche mittels baulicher oder technischer Abtrennung (z. B. mobile Rauchschürzen wie Vorhänge) oder unter Einsatz lufttechnischer Maßnahmen
  4. Rauchfreihaltung (z. B. Sicherheitstreppenräume): Verhinderung des Eindringens von Rauch in brandlastfreie Räume durch Überdruck

Entsprechend unterscheiden sich auch die Arten der eingesetzten Maßnahmen und Geräte.

Öffnungen zur Rauchableitung

Die Entrauchung von Gebäuden oder Räumen kann zunächst auf natürliche Art und Weise erfolgen, indem man sich die o. g. Prinzipien des natürlichen Auftriebs der heißen Rauchgase zunutze macht. Die MBO bzw. die LBO schreiben hierzu für bestimmte Treppenräume (z. B. für innenliegende Treppenräume oder für alle Treppenräume teilweise ab Gebäudeklasse 4 oder 5, teilweise ab einer bestimmen Gebäudehöhe) „an der obersten Stelle eine Öffnung zur Rauchableitung“ vor. Diese Öffnung muss „einen freien Querschnitt von mindestens einem Quadratmeter und Vorrichtungen zum Öffnen ihrer Abschlüsse haben, die vom Erdgeschoss sowie vom obersten Treppenabsatz aus bedient werden können“.

Eine weitere „Öffnung zur Rauchableitung“ mit einem „freien Querschnitt von mindestens 2,5 v. H. der Fahrschachtgrundfläche, mindestens jedoch 0,10 m2“ ist für sog. „notwendige“ Fahrschächte von Aufzügen erforderlich. Aufzüge ohne solche „notwendigen“ Fahrschächte sind zulässig

  1. innerhalb eines notwendigen Treppenraumes, ausgenommen in Hochhäusern,
  2. innerhalb von Räumen, die Geschosse überbrücken, und
  3. zur Verbindung von Geschossen, die offen miteinander in Verbindung stehen.

Soweit die Aufzüge Fahrschächte haben, müssen diese baurechtlich nicht entraucht werden können. Abschließend fordern MBO und LBO für „jedes Kellergeschoss ohne Fenster […] mindestens eine Öffnung ins Freie […], um eine Rauchableitung zu ermöglichen. Für „Normalbauten“ (Wohn- und Bürogebäude ohne Sonderbautatbestand) sind damit alle Anforderungen aus dem Baurecht erfüllt. Die Verschlüsse dieser „Öffnungen zur Rauchableitung“ sind keine Rauchabzugsanlagen im Sinne der MVV TB (Ausgabe 2019/1).

Natürliche Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (NRA)

Obwohl auch „Öffnungen zur Rauchableitung“ auf einer „natürlichen Rauchableitung“ basieren, dürfen sie deshalb nicht mit „Natürlichen Rauch- und Wärmeabzugsgeräten“ (NRWG) verwechselt werden, die Bestandteile „Natürlicher Rauch- und Wärmeabzugsanlagen“ (NRA) sind.

Im Gegensatz zu den „Öffnungen zur Rauchableitung“, die in den MVV TB Teil D aufgeführt sind, erfüllen die NRWG nach DIN 18232 die bauaufsichtlichen Anforderungen insofern keine abweichenden Einzelfall-Anforderungen gestellt wurden. Die DIN 18232-2 sowie der Anhang 14 Pkt. 7 der MVV TB beschreibt in Text und Tabellen die Anforderungen an Planung, Bemessung, Ausführung, Auslösung, Zuluftöffnungen sowie zu Bauprodukten und Bauarten. Für NRWG müssen gemäß den Festlegungen aus der europäisch harmonisierten Norm DIN EN 12101-2 geprüft und mit einer CE-Kennzeichnung versehen sein.

Maschinelle Rauchabzugsanlagen (MRA)

Von einer „maschinellen Rauchabzugsanlage“ (MRA) spricht man, wenn die Funktion der RWA durch Geräte mit motorischem Antrieb erfolgt, z. B. mit Ventilatoren. Das ist meistens dann der Fall, wenn die natürliche Rauchableitung zur Erreichung der Anforderungen bei Sonderbauten nicht ausreicht, eine NRA nicht installiert werden kann, z. B. in mehrgeschossigen Objekten, in Kellergeschossen oder wenn solche Anlagen bei Sonderbauten ausdrücklich gefordert sind. Das ist z. B. der Fall bei Räumen mit mehr als 1.600 m2 Grundfläche in Industriebauten nach MIndBauRL. MRA werden nach DIN 18232-5 geregelt und bemessen, die dafür erforderlichen maschinellen Rauch-und Wärmeabzugsgeräte (MRWG), wie Dach-, Wand-, Kanal-, Axial- oder Radialventilatoren, benötigen eine Prüfung und Kennzeichnung nach DIN EN 12101-3. Die Ventilatoren werden dabei in verschiedene Temperaturkategorien eingeteilt, z. B. Temperaturkategorie F 200 (Prüftemperatur 200 °C bei einer Prüfzeit von 120 Minuten) oder F 400 (Prüftemperatur 400 °C bei einer Prüfzeit von 90 Minuten).

Wärmeabzugsgeräte (WA)

Als Wärmeabzug (WA) bezeichnet man Wand- oder Dachflächen, die ab einer bestimmten Temperatur selbstständig (z. B. durch Abschmelzen thermoplastischer Flächen) Öffnungen freigeben, um z. B. eine Entzündung brennbarer Teile außerhalb des eigentlichen Brandbereichs durch heiße Brandgase zu verhindern. Mit ihrer Hilfe soll der Brandausbreitung während eines Vollbrands in Räumen oder Gebäuden entgegengewirkt werden. Sie tragen zur Reduzierung der thermischen Einwirkungen auf tragende oder raumabschließende Bauteile und damit zur Erhaltung der Standsicherheit oder des Raumabschlusses im Brandfall bei. So können auch wirksame Löscharbeiten unterstützt werden.

Gemäß MVV TB Teil A 2.1.15.4 sind die erforderlichen Wärmeabzugsgeräte im Brandschutznachweis auszuweisen. Zusätzlich sind sie in Abhängigkeit von der Lage in der baulichen Anlage, den vorgeschriebenen geometrischen Abmessungen, der erforderlichen geometrischen Öffnungsfläche und des Standorts der baulichen Anlage hinsichtlich des Funktionserhalts und der Einwirkungen u. a. von Wind, Schnee, den Umgebungstemperaturen auszuwählen und zu verwenden.

Für die Verwendung von Wärmeabzugsgeräten nach DIN EN 12101-2 sind die in MVV TB Anhang 4 unter Pkt. 7 genannten Verwendungs- und Ausführungsbestimmungen zu beachten. Dabei geht es v. a. um die gegensätzlichen Anforderungen der Funktion des Wärmeabzugs (Aufschmelzen bei hohen Temperaturen) und der „harten Bedachung“ (Bedachung beständig gegen Flugfeuer und strahlende Wärme). Die in der MBO bzw. den LBO gestellten Anforderungen an eine harte Bedachung erlauben bestimmte Flächenanteile bzw. zulässige Einzelflächen, die als weiche Bedachungen erlaubt sind.

Druckbelüftungs- und Rauch-Differenzdruckanlagen (RDA)

Für Hochhäuser sind nach MHHR (Fassung April 2008, zuletzt geändert Februar 2012) Druckbelüftungsanlagen vorgeschrieben, die den Eintritt von Rauch in innenliegende Sicherheitstreppenräume und deren Vorräume sowie in Feuerwehraufzugsschächte und deren Vorräume durch Erzeugung von Überdruck verhindern müssen.

In der Praxis werden sie häufig auch als Rauchschutz-Druckanlage, Rauch-Differenzdruckanlagen (RDA) oder nur Differenzdruckanlagen (DDA) bezeichnet, da sie den zu schützenden Raum durch einen kontrolliert aufgebauten Überdruck (Differenzdruck) gegenüber anderen Räumen rauchfrei halten. So wird dafür gesorgt, dass die Luft – auch bei geöffneten Türen und unter ungünstigen klimatischen Bedingungen – (je nach Projektierung) entgegen der Fluchtrichtung strömt.

Entrauchung bei Sonderbauten

Bei geregelten Sonderbauten sind meist in den entsprechenden Sonderbauverordnungen Vorschriften und Hinweise zur notwendigen Entrauchung enthalten. So müssen Verkaufsstätten, Verkaufsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit jeweils mehr als 50 m2 Grundfläche, Lagerräume mit mehr als 200 m2 Grundfläche, Ladenstraßen sowie notwendige Treppenräume entraucht werden können. Dasselbe gilt in Versammlungsstätten für Versammlungsräume und sonstige Aufenthaltsräume mit mehr als 50 m2 Grundfläche sowie Magazine, Lagerräume und Szenenflächen mit jeweils mehr als 200 m2 Grundfläche, Bühnen und notwendige Treppenräume.

Umfassende Regelungen zur Rauchableitung finden sich in der MIndBauRL. Danach müssen Produktions-, Lagerräume und Ebenen mit jeweils mehr als 200 m2 Grundfläche zur Unterstützung der Brandbekämpfung entraucht werden können.

Fazit

Entrauchung ist ein Begriff mit vielen Facetten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass es viele verschiedene Arten der Entrauchungs- sowie Rauch- und Wärmeabzugsanlagen (RWA) gibt, die durchaus unterschiedlichen Schutzzielen verpflichtet sind und in ihrer Ausführung entsprechend unterschiedlicher Vorschriften geplant und installiert werden müssen.

Vor allem in Sonderbauten haben diese Einrichtungen einen hohen Stellenwert, deshalb sind in den jeweiligen Verordnungen meist verschiedene Lösungen detailliert gefordert und beschrieben.

Die meisten baurechtlich verlangten „Öffnungen zur Rauchableitung“ oder „Rauchabzugsanlagen“ dienen i. d. R. nicht der Rauchfreihaltung von Fluchtwegen, sondern zur Unterstützung der Feuerwehr bei ihrer Arbeit. Dies gilt selbst dann, wenn ihre Entrauchungswirkung nicht quantifizierbar ist.

Die Autoren

Reinhard Eberl-Pacan ist Diplom-Ingenieur Architekt, Gründer und Inhaber von Eberl-Pacan Gesellschaft von Architekten mbH mit Sitz in Berlin-Mitte. Seit 1989 ist er als Architekt tätig, 2007 hat er erfolgreich die Fortbildung zum Planer und Sachverständigen für Brandschutz absolviert. Das Ziel des erfahrenen Praktikers ist es, innovative Brandschutzlösungen zu finden, die Gebäude mit hohen Anforderungen an die Nutzung, das Design und die Nachhaltigkeit ermöglichen. Sein Spezialgebiet ist der Brandschutz im Holzbau – Neubau und Bestand.

Georg Tschacher ist studierter Sicherheits- und Brandschutzingenieur mit den Schwerpunkten Brandschutz, Arbeitsschutz und Veranstaltungssicherheit. Neben der Qualifikation zum Fachplaner Brandschutz hat Georg Tschacher u. a. die Ausbildung zum Brandschutzbeauftragten sowie zur Fachkraft für Arbeitssicherheit. Neben seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule Furtwangen ist er innerhalb der BAV-Ingenieure GmbH als Geschäftsführer und Sachverständiger für Brandschutz tätig.

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