TECHNIK IN DER BRANDBEKÄMPFUNG

Sauerstoffreduktion als präventive Maßnahme

Text: Vincent Pannard | Foto (Header): © visoot – stock.adobe.com – generiert mit KI

Ein Ansatz im Bereich der präventiven Vermeidung von Brandausbrüchen ist die aktive Brandvermeidung durch Sauerstoffreduktion, die etwa in Lagerumgebungen, IT-Anwendungen oder Archiven zum Einsatz kommen kann. Dieser Artikel beleuchtet die Funktionsweise, die Vorteile und die praktischen Anwendungen dieser Methode und zeigt, wie sie einen entscheidenden Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit in verschiedenen Umgebungen leisten kann.

Auszug aus:

Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Oktober 2024
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Brände vernichten Werte, gefährden Betriebsfähigkeit, Sicherheit, Mensch und Umwelt. Statistiken zeigen, dass in Deutschland alle zwei Minuten ein Feuer ausbricht, oft mit erheblichen Schäden. Neben dem Schutz von Mensch und Umwelt sowie wertvollen Gütern hat auch die Sicherung von Betriebsabläufen höchste Priorität. Automatisierte Lager, Rechenzentren oder Archive sind zur Aufrechterhaltung der Betriebsprozesse im Besonderen auf zuverlässigen Brandschutz angewiesen.

Die Sauerstoffreduktion bietet eine innovative und effektive Lösung zur aktiven Brandvermeidung. Dieses System arbeitet präventiv, indem es unter definierten Bedingungen die Entstehung eines Brandes verhindert und damit sowohl die Sicherheit von Menschen als auch den Schutz von Sachwerten und Betriebsabläufen gewährleistet.

Im Gegensatz zu herkömmlichen Brandschutzanlagen, die einem Feuer überwiegend reaktiv begegnen, greift die Sauerstoff reduktion präventiv ein. Dadurch werden nicht nur Brandschäden, sondern auch Folge schäden durch entstehende Schadstoffe oder durch Löschmittel wie Wasser und Schaum vermieden. Diese Technologie leistet somit einen wesentlichen Beitrag zum Schutz von Mensch und Umwelt.

Einfach natürlicher Brandschutz

Das Konzept der Sauerstoffreduktion senkt das Brandrisiko schon im Vorfeld erheblich. Dabei wird Stickstoff, ein natürlicher Hauptbestandteil der Atmosphäre, mithilfe einer speziellen Anlage aus der Umgebungsluft gewonnen und in den zu schützenden, abgeschlossenen Bereich eingebracht. Da Stickstoff eine ähnliche Dichte wie Luft besitzt, verteilt er sich gleichmäßig im Raum und ermöglicht so eine homogene Reduktion der Sauerstoffkonzentration im gesamten Schutzbereich. Durch die gezielte Zuführung von Stickstoff wird der Sauerstoffgehalt so weit abgesenkt, dass er unter der Entzündungsgrenze der im Raum befindlichen Materialien liegt. Dadurch wird die Entstehung eines offenen Feuers effektiv verhindert. Die optimale Sauerstoffkonzentration richtet sich nach den gelagerten Materialien, weshalb eine detaillierte Risikoanalyse und präzise Definition der Schutzziele im Vorfeld unerlässlich sind.

Typische Anwendungsbereiche der zertifizierten Technologie

In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Großbrände in verschiedenen Branchen die Relevanz dieser Methode zur aktiven Brandvermeidung verdeutlicht. Sie eignet sich besonders dort, wo neben dem Schutz von Personen auch die Verfügbarkeit elektronischer Anlagen, die Lieferfähigkeit von Gütern und der Schutz kostbarer Werte höchste Priorität haben. Mit der zunehmenden Verdichtung und Automatisierung von Lagersystemen sowie der Notwendigkeit einer stetigen Datenverfügbarkeit wird eine effektive Brandvermeidung oft auch wirtschaftlich unerlässlich. Es ist daher nicht erstaunlich, dass Lager- und Rechenzentrumsbetreiber sowie Archive diese Technologie zunehmend einsetzen – und Versicherungen sie zum Teil bereits einfordern. In Deutschland sind Sauerstoffreduktionsanlagen nach VdS 3527 anerkannt. Auch Versicherungen setzen zunehmend auf diese Technologie. Beispielsweise gibt es seit 2021 ein FM Datenblatt (FM Property Loss Prevention Data Sheets), das die Verwendung der Technologie beschreibt.

Insbesondere Behälterkompaktlager und Lager mit Shuttle-Systemen stellen aufgrund ihrer hohen Packungsdichte und ihres hohen Automatisierungsgrads besondere Herausforderungen an den Brandschutz: Die enge Lagerung erhöht das Risiko einer schnellen Brandausbreitung und erschwert gleichzeitig das Löschen; die umfangreiche Elektrik in automatisierten Systemen birgt ein erhebliches Brandrisiko, wobei Kabelbrände häufig vorkommen. Durch den Einsatz präventiver Maßnahmen wie der Sauerstoffreduktion können Werte optimal sowohl vor einem Feuer als auch vor brandbedingten Folgeschäden geschützt werden. Die Lieferfähigkeit bleibt aufrechterhalten. Gleiches gilt für automatisierte Hochregallager.

Tiefkühllager und Kühlhäuser, in denen die extrem trockene Luft das Risiko einer Brandausbreitung erhöht und wasserbasierte Löschmittel erhebliche Schäden verursachen würden, profitieren besonders von der Sauerstoffreduktion. In definierten Bereichen kann die Sauerstoffreduktion auch Gefahrstofflagern einen effektiven Schutz bieten. In IT-Räumen und Rechenzentren ist aktive Brandvermeidung von entscheidender Bedeutung, da die kontinuierliche Datenverfügbarkeit sichergestellt werden muss. Ein Brand, der sich ausbreitet, kann Teile oder sogar komplette Datenspeicher zerstören, was nicht nur den Betreiber des Rechenzentrums gefährdet, sondern auch Kunden – von Unternehmen über Institutionen bis hin zu Regierungen. Durch präventive Maßnahmen wie die Sauerstoffreduktion lassen sich solche Risiken erheblich minimieren.

Auch in Archiven von Bibliotheken und Museen sowie in anderen Depots und Lagerräumen kann ein Brand verheerende Folgen haben. Hier trägt aktive Brandvermeidung entscheidend zum Schutz von oft unwiederbringlichen Werten bei.

Stickstofferzeugung vor Ort

Der hohe Stickstoffanteil in der Umgebungsluft ermöglicht die direkte Gewinnung des benötigten Stickstoffs vor Ort mittels eines Generators. Dieser Prozess erfolgt durch physikalische Filtermethoden ohne den Einsatz von Chemikalien. Es gibt zwei Hauptmethoden zur Stickstoffgenerierung: Bei der Membrantechnik wird die Umgebungsluft durch ein Aluminiumrohr geleitet, das mit Hohlfasermembranen ausgestattet ist. Sauerstoffmoleküle diffundieren durch die Membranen, während die Stickstoffmoleküle weitertransportiert werden. Bei der Aktivkohle­ Methode wird Sauerstoff durch Kohlenstoff­molekularsiebe (CMS) gebunden, sodass der Stickstoff ungehindert in den Schutzbereich gelangt. Die Wahl der Methode hängt von den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Anwendung ab.

Jeder Schutzbereich erfordert individuell abgestimmte Brandschutzlösungen. Die Sauerstoffkonzentration kann dauerhaft abgesenkt werden, um die Entwicklung bzw. Ausbreitung eines Brandes zu verhindern. Diese Lösung eignet sich besonders gut für automatisierte Bereiche wie Hochregallager, die nur selten betreten werden. In kleineren, regelmäßig genutzten Bereichen kann das Sauerstoffniveau flexibel angepasst werden. Beispielsweise kann tagsüber ein normales Niveau für den Personenzugang aufrechterhalten werden, während in Nacht- oder Wochenendzeiten eine niedrigere Sauerstoffkonzentration definiert wird, um in unbeaufsichtigten Zeiten optimalen Brandschutz zu gewährleisten. Im Brandfall kann das System auch eine schnelle Reduktion des Sauerstoffgehalts aktivieren, um das Feuer zu ersticken und Rückzündungen zu verhindern. Sauerstoffreduktionssysteme sind zudem anpassungsfähig und können flexibel an Nutzungsänderungen, Gebäuderenovierungen oder -erweiterungen angepasst werden.

Im Vergleich zur Lagerung von Stickstoff in Löschmittelbehältern bietet die lokale Stickstoffgenerierung erhebliche Vorteile hinsichtlich Platz- und Kostenersparnis. Traditionelle Brandbekämpfungssysteme erfordern große Flächen für die Bevorratung von Löschmitteln, etwa Wassertanks für Sprinkleranlagen oder Behälter für andere Löschmittel, die nach Gebrauch entweder ersetzt oder wieder aufgefüllt werden müssen. Im Gegensatz dazu benötigt eine Sauerstoffreduktionsanlage nur wenige Quadratmeter Raum, da sie kontinuierlich Stickstoff vor Ort erzeugt und keinen Nachfüllbedarf hat. Zudem entfällt die Notwendigkeit zusätzlicher Ausstattungen wie Löschmittelrückhaltebecken.

Arbeiten in sauerstoffreduzierter Umgebung

Sicherheit hat oberste Priorität. Die Sauerstoffreduktion durch Stickstoff beeinträchtigt weder die laufenden Prozesse in den Schutzräumen noch die darin gelagerten Waren. Im Gegenteil, verderbliche Güter können in dieser Atmosphäre möglicherweise sogar zusätzlichen Schutz vor vorzeitigem Verderben erfahren.

Gesunde Menschen können sich ohne Einschränkungen in Räumen mit reduziertem Sauerstoffgehalt aufhalten und arbeiten. Der Mensch ist in der Lage – und oft daran gewöhnt –, mit weniger als den normalerweise in der Atemluft enthaltenen 20,9 Vol.-% Sauerstoff auszukommen. Beispiele hierfür sind der Aufenthalt in den Bergen oder in Flugzeugen, wo der sinkende Luftdruck in großer Höhe zu einer verminderten Sauerstoffaufnahme führt. Wanderer und Skifahrer erbringen auch in dieser Atmosphäre bemerkenswerte Leistungen.

Für Betreiber und Anwender von Brandschutzsystemen zur Sauerstoffreduktion ist entscheidend, dass die Begehbarkeit der Schutzbereiche gemäß den geltenden Vorschriften, wie der DGUV in Deutschland, bis zu einem Sauerstoffanteil von 17 Vol.-% uneingeschränkt möglich ist. Bei niedrigeren Werten kann die Begehbarkeit unter Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften erfolgen. Um sicherzustellen, dass eine Sauerstoffreduktionsanlage keine Gefahr für Menschen darstellt, werden in den Schutzkonzepten geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen integriert.

Lagerung des Gefahrguts Lithium-Ionen-Batterie

Jedes Jahr treten zahlreiche Großbrände auf, die oft durch elektrische Defekte verursacht werden. Ein zunehmendes Problem stellen jedoch auch Lithium-Ionen-Batterien dar, die in immer mehr Geräten, Werkzeugen und Fahrzeugen verwendet werden. Diese Batterien bergen aufgrund ihrer Selbstentzündungsgefahr und der hohen gespeicherten Energiemenge ein besonders hohes Brandrisiko. Ein sog. Thermal Runaway, der durch mechanische, elektrische oder thermische Ursachen ausgelöst werden kann, führt zu unkontrollierten Brandprozessen, da die Batterien während des Brandes brandfördernden Sauerstoff freisetzen – mit teils verheerenden Folgen. Herkömmliche Löschmittel sind oft nicht in der Lage, diesen Prozess zu stoppen.

Für den Brandschutz bei der Lagerung von Lithium-Ionen-Batterien gibt es derzeit keine universelle Standardlösung. Eine Schutzatmosphäre mit Sauerstoffreduktion kann jedoch unter definierten Bedingungen helfen, die Auswirkungen zu begrenzen, indem sie die Freisetzung von Energie verlangsamt und die Ausbreitung des Brandes verhindert.

Im Jahr 2022 wurde ein Hochregallager, in dem bis zu 50.000 teilweise geladene Akkus von E‐Bikes gelagert werden können, von dem Brandschutzspezialisten WAGNER mit einer Sauerstoffreduzierungsanlage ausgestattet. Basierend auf einer umfassenden Risikoanalyse des Schutzbereichs und unter Berücksichtigung der spezifisch definierten Schutzziele wurde eine maßgeschneiderte Lösung entwickelt. Diese umfasst das Sauerstoffreduzierungssystem OxyReduct ® und das zertifizierte Brandfrühesterkennungssystem TITANUS ®. Durch diese Kombination kann im Falle eines Thermal Runaway eine Kettenreaktion verhindert und der Schaden auf den betroffenen Artikel begrenzt werden. Auf diese Weise bleibt die Lieferfähigkeit des Fahrradherstellers im Wesentlichen erhalten.

Schutz durch Ansaugrauchmelder

Selbst in einer sauerstoffreduzierten Schutzatmosphäre kann es, wie bereits erwähnt, zu einem Thermal Runaway kommen. Zudem sind Kabelschwelbrände, die die Betriebsfähigkeit beeinträchtigen oder durch Rauchentwicklung Schäden verursachen können, nicht ausgeschlossen. Deshalb ist die frühzeitige Erkennung und Lokalisierung von Brandherden ein wesentlicher Bestandteil zur Erreichung der Schutzziele. Eine Brandfrühesterkennung mit bspw. hochsensiblen Ansaugrauchmeldern ermöglicht es, im Ereignisfall schnellstmöglich Gegenmaßnahmen zu ergreifen und die Brandausbreitung zu verhindern.

Die Kombination von Ansaugrauchmeldern und Sauerstoffreduzierungsanlagen kann eine umfassende Brandschutzlösung darstellen, die durch sorgfältige Planung und individuelle Anpassung entwickelt wird. Diese Schutzsysteme gewährleisten eine sichere Lagerung und minimieren das Risiko von Großbränden erheblich. Durch die Integration dieser Technologien wird ein hohes Sicherheitsniveau erreicht, das über herkömmliche Brandschutzmaßnahmen hinausgeht. Im Fall des E‐Bike-Lagers schützt diese Lösung sowohl vor Brand- als auch vor löschmittelbedingten Schäden.

Der Autor

Vincent Pannard
Der Diplom-Ingenieur Vincent Pannard verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im technischen Umfeld. Er begann seine Karriere in der Automobilindustrie und ist seit 2014 für den Brandschutzanbieter WAGNER tätig. Als Programm-Manager Brandvermeidung ist er u. a. für die Markteinführung der neuen OxyReduct-Produkte verantwortlich.

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