Aus der Praxis
Personelle Falschalarmprüfung in Lager- und Logistikbereichen
Text: Johannes Hanßen | Foto (Header): © re‘ graph GmbH
Falschalarme von Brandmeldeanlagen, die eine Räumung des Betriebsgebäudes erforderlich machen, führen zu erheblichem Aufwand, hohen Kosten und erhöhen das Risiko für die Beschäftigten. Ein großes Logistikunternehmen in Nordrhein-Westfalen prüft potenzielle Falschalarme u. a. mit eigenem Personal und kann diese in weniger als drei Minuten verifizieren, wodurch unnötige Räumungen vermieden werden.
Auszug aus:
Der Brandschutzbeauftragte
Ausgabe Dezember 2024
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Brandmeldeanlagen (BMA) sind ein Segen: Durch frühzeitige und zuverlässige Branderkennung liefern sie die Grundlage für alle weiteren Maßnahmen zur rechtzeitigen Brandbekämpfung. Entstehungsbrände werden innerhalb und außerhalb der Betriebszeiten so früh wie möglich erkannt. Die rechtzeitige Alarmierung von Beschäftigten und Besuchern schafft Zeit für eine sichere Flucht aus dem Gefahrenbereich und ermöglicht erste Brandbekämpfungsmaßnahmen, z. B. mit Feuerlöschern oder Wandhydranten. Bauaufsichtlich geforderte Brandmeldeanlagen alarmieren im Brandfall auch außerhalb der Betriebszeiten automatisch die Feuerwehr. Je früher diese eintrifft, desto größer ist die Chance, einen Entstehungsbrand schnell unter Kontrolle zu bringen. Brandmeldeanlagen verbessern sowohl den Personen- als auch den Sachschutz und sind damit ein wichtiger Bestandteil des betrieblichen Risikomanagements und der Arbeitssicherheit.
Die Kehrseite der Medaille
Von Falschalarmen einer BMA spricht man im Allgemeinen dann, wenn diese einen Alarm auslöst, ohne dass ein Brandereignis vorhanden ist. Bei einem „Täuschungsalarm“ lösen automatische Brandmelder aufgrund von Störgrößen wie Wasserdampf oder Staub aus. Durch technische Fehler in der BMA ausgelöste Alarme werden als „Fehlalarme“ bezeichnet. Häufige Gründe für diese Falschalarme sind mangelhaft instand gehaltene BMA, Fehler bei der Planung bzw. Projektierung einer BMA z. B. durch die Auswahl falscher Meldertypen sowie ein nicht aktivierter Revisionszustand der BMA bei Wartungsarbeiten. Auch geänderte Betriebsabläufe können zu einer Häufung von Falschalarmen führen, wenn die neuen Prozesse nicht auch im Hinblick auf die Falschalarmsicherheit bewertet wurden. Seltener, aber nicht auszuschließen, sind Fehlalarme durch technische Störungen in der BMA selbst oder in anderen mit ihr verbundenen Brandschutzeinrichtungen.
Falschalarme können teuer werden
In Industriebetrieben verursachen Falschalarme einer BMA, insbesondere während der Betriebszeiten, hohen Aufwand und Kosten durch Produktionsausfall. Bei einem Brandalarm wird zumindest der betroffene Brandabschnitt geräumt, was mit zusätzlichen Risiken für die Beschäftigten verbunden ist, z. B. durch Panik, Stolpern und Stürzen. Darüber hinaus werden Maschinen abgeschaltet und können unter Umständen erst mit großer Zeitverzögerung wieder angefahren werden. Hinzu kommen Ausfälle in nachgelagerten Produktionsschritten, z. B. durch fehlende Teile. Auch die Motivation des Personals leidet bei häufigen Falschalarmen.
Ist die BMA auf die Leitstelle der Feuerwehr aufgeschaltet, drohen weitere Kosten, da bei einem Brandalarm innerhalb kürzester Zeit die Einsatzkräfte der Feuerwehr vor der Tür stehen. Immer mehr Städte und Landkreise stellen die Kosten für Feuerwehreinsätze bei Falschalarmen den Betreibern in Rechnung. Die Gebühren dafür wurden deutlich erhöht und liegen inzwischen oft im dreistelligen Euro-Bereich. Die Auslösung von Falschalarmen aus anlagenspezifischen Gründen ist ausschließlich dem Betreiber der BMA zuzurechnen [1]. Hierzu zählen auch Täuschungs- und Fehlalarme sowie Falschalarme durch äußere Einwirkungen wie Blitzschlag oder Stromausfall, nicht jedoch böswillig oder gutgläubig manuell ausgelöste Alarme.
Anforderungen an die Vermeidung von Falschalarmen sowie die möglichen Betriebsarten einer BMA sind auch regelmäßig in den Technischen Anschlussbedingungen für Brandmeldeanlagen (TAB) der Feuerwehren zu finden. Zu den technischen Maßnahmen zählen die Verwendung von Mehrfachsensormeldern, die Implementierung von Zweimeldungsabhängigkeiten sowie die individuelle Bewertung verschiedener Brandkenngrößen durch Algorithmen im Melder oder der BMA.
Sind Falschalarme durch technische Maßnahmen nicht auszuschließen, kann die Betriebsart PM sinnvoll sein. Damit wird bei Alarmen von automatischen Brandmeldern die Internalarmierung und die Alarmübertragung zur Überprüfung des Alarms durch eine eingewiesene Person verzögert. Allerdings ist die maximale Erkundungszeit von drei Minuten nach DIN VDE 0833-2 ausgesprochen kurz. Ohne zusätzliche technische Unterstützung ist eine effiziente personelle Alarmverifikation in der Regel nicht möglich.
Projektbeispiel Logistik
Wie eine zeitgemäße Lösung zur Vermeidung von Falschalarmen in der Betriebsart PM aussehen kann, zeigt das Beispiel eines großen Logistikdienstleisters. Dieser betreibt in Nordrhein-Westfalen in einer Halle auf etwa 34.800 m 2 ein Lager mit Büroflächen und Einrichtungen zur Kommissionierung des Lagerguts. Der vorbeugende Brandschutz beruht insbesondere auf einer Sprinkleranlage und einer BMA mit Hand- und Punktmeldern, die auf die Leitstelle der Feuerwehr aufgeschaltet ist. Falschalarme führen wegen der zwingend erforderlichen Gebäuderäumung zu einem erhöhtem Verletzungsrisiko für die Beschäftigten, zu längeren Betriebsunterbrechungen und hohen Kosten sowie zu nicht tolerierbaren Verzögerungen in den Lieferketten zu den Kunden. Eine personelle Alarmverifikation ohne technische Unterstützung war wegen der großen Ausdehnung des Gebäudes nicht in den erforderlichen drei Minuten machbar. Man entschied sich daher für eine Visualisierung der BMA durch ein grafisches Informationssystem (vgl. Infokasten grafisches Informationssystem). Das Projektziel bestand darin, mit einer intuitiven Darstellung der Alarmsituation der BMA eine schnelle Lokalisierung und Verifizierung des Alarms in weniger als drei Minuten zu ermöglichen. Aus Sicherheitsgründen wird nur die Akustik der Internalarmierung verzögert, um eine unnötige Räumung zu vermeiden. Übertragungseinrichtung, Brandfallsteuerung und Blitzleuchten werden ohne Verzögerung angesteuert.
Individuelle Projektrealisierung
Zur Umsetzung wurde von re‘ graph neben dem verantwortlichen Mitarbeiter des Logistikdienstleisters auch das Unternehmen Coler Systems GmbH als Systemintegrator und Partnerunternehmen von re‘ graph in das Projekt eingebunden. Gemeinsam wurden umfangreiche kundenspezifische Anpassungen vorgenommen.
Für die ständig besetzte Technikzentrale im Lagergebäude wurde ein digitales Brandmeldetableau konzipiert, das bei einem Alarm alle relevanten Informationen der BMA übersichtlich auf einem 65-Zoll-Monitor darstellt (Abb. 1). Bei Alarm eines automatischen Brandmelders werden dessen Bezeichnung und der Montageort angezeigt (Abb. 1, unten Mitte). Gleichzeitig wird die Melderposition auf einem Grundrissplan visualisiert. Prominent sichtbar ist ein Countdown-Timer, der von der Alarmauslösung an drei Minuten lang abwärts zählt (Abb. 1, unten links). Er zeigt dem zuständigen Personal die verbleibende Zeit bis zur Auslösung des akustischen Alarms und der Räumung an.
Eine weitere Besonderheit ist die Realisierung des digitalen Brandmeldetableaus als Split-Screen. Da im grafischen Informationssystem Aplis sämtliche Brandschutzgrafiken digital gespeichert sind, kann im unteren Bereich des Monitors bei einem Alarm automatisch die komplette Feuerwehr-Laufkarte der Meldergruppe des auslösenden Melders angezeigt werden (Abb. 3). Damit und mit den Informationen aus dem oberen Monitorbereich wird sofort der Ort der Alarmauslösung ersichtlich. Der zuständige Mitarbeiter aus der Technikzentrale, der mit den Beschäftigten im dauerhaften Sprechfunkkontakt steht, kann jetzt einen Kollegen in der Nähe zum Alarmort dirigieren und den Alarm verifizieren lassen. Handelt es sich sicher um einen Falschalarm, setzt die Feuerwehr den Alarm zurück. Das Auslösen von Handfeuermeldern oder eines weiteren automatischen Melders während der Erkundungszeit sowie Alarmmeldungen von anderen Brandschutzanlagen führen gemäß DIN VDE 0833-2 sofort zur Auslösung des akustischen Alarms mit sofortiger Räumung.
Fazit und Ausblick
Die mit der Feuerwehr, der Brandschutzbehörde und dem Versicherer abgestimmte und von diesen genehmigte Lösung zur Vermeidung von Falschalarmen hat sich bewährt. Nicht zuletzt angeregt durch den regelmäßigen internen Informationsaustausch der Brandschutzbeauftragten, haben sich auch andere Niederlassungen des Logistikdienstleisters von der Leistungsfähigkeit des Systems überzeugt und wollen es zukünftig einsetzen.
Grafisches Informationssystem Aplis
Das browserbasierte Informationssystem Aplis von re’ graph (Abb. 4) sammelt alle Meldungen und Zustände der angeschlossenen Brandmelderzentralen (BMZ) auf einem internen Datenserver. Darüber hinaus können dort sämtliche Brandschutzgrafiken (Feuerwehr-Laufkarten, Feuerwehrpläne, Flucht- und Rettungspläne, Brandschutzordnungen, Sonderpläne und Maßnahmentexte) hinterlegt werden. So sind der Zustand der BMZ und sämtliche Brandschutzgrafiken auf PC-Arbeitsplätzen im internen Netzwerk sichtbar, mit der AplisMobile-App sogar standortunabhängig auf Mobilgeräten (Abb. 5). Die Pflege von Brandschutzgrafiken und der Anlagendokumentation sowie das Administrieren des Datenservers ist innerhalb des lokalen Netzwerks oder remote über eine gesicherte Verbindung von extern möglich
Der Autor
Johannes Hanßen
Vertriebsbeauftragter der re’ graph GmbH.